Donnerstag, 1. Februar 2007

Fahrt nach Punta Arenas

Die Temperaturen in Ushuaia waren so kalt, dass wir uns entschlossen, nach nur vier Tagen hier unten am Ende der Welt, wieder in den Norden der Wärme entgegen zu fahren.

Unser neues Ziel heisst Punta Arenas. Das ist auf der chilenischen Seite. Es gab zwei Wege dorthin. Der eine wäre den gleichen Weg wieder zurück wie wir kamen, um dann nach der Magellanstrasse links abzubiegen, oder einen direkteren Weg, zwar alles über eine Schotterstrasse, nach Punta Arenas. Aber wegen dem Schotter sind wir ja hier. So entschieden wir bei der Polizei in Ushuaia nachzufragen, wie es jetzt mit der Überquerung des Flusses gleich nach der Grenze stehe, da wir gehört hatten, dass die Brücke zerstört sei und man durch den Fluss fahren müsse. Bei schönem Wetter und niedrigem Wasserstand wäre es möglich, sonst sei es nicht machbar und man müsste umkehren oder warten. Ok, dachten wir, wir gehen mal schauen.

Der Weg führte uns wieder durch Nieselregen zuerst nach Rio Grande, um dort frisch betankt die Ruta B zu fahren. Bei der Tankstelle nahmen wir gleich noch unser Mittagessen ein, damit wir nicht wieder gleich anhalten müssten. Kaum aus der Stadt gefahren, blies der Wind eine Regenfront vor sich her, die es in sich hatte. Wir wurden durch den Wind auf der Strasse wie in einer Waschmaschine durch geschwungen, dass ich schon glaubte dieser Strecke abzusagen. Der Regen peitschte auf das Visier des Helmes, dass man keine 100 Meter weit sehen konnte. Es war einfach grauenhaft. Doch Gaby war einverstanden, dass wir weiter diese Strecke fahren, der Regen und Wind könne ja nicht den ganzen Tag auf einen so einhämmern, meinte sie durch den Funk. Und tatsächlich nach einer halben Stunde hatten wir zwischen den Hügeln, die wir erreicht hatten, schon wieder frohen Sonnenschein, aber immer noch genug Wind.

Die Gegend war atemberaubend, wenn man über die Hügel fuhr konnte man Kilometer weit in die Täler sehen wo Kühe oder Schafe weideten und man hatte immer die Bergkette des Südens mit ihren verschneiten Gipfeln sehen können. Wir beide wussten, dass dieser Weg der bessere Weg war, als der andere langweilige Weg, der mehrheitlich über asphaltierten Boden geführt hätte.

Als wir nach einer langen Fahrt bei der Grenze ankamen, waren wir erstaunt darüber, dass hier draussen in der Wildnis so viele Häuser und Leute waren. Wir packten wieder unsere Pässe ein, um wieder einen Stempel für die Ausreise zu bekommen. Da Gaby und ich die einzigen Kunden für die Zöllner waren, ging alles schnell von der Hand. Pässe und Papiere für die Motorräder hingestreckt, diese wurden kurz begutachtet, Stempel eins und zwei rein und schon fertig. Gaby erkundigte sich noch wegen dem Wasserstand und ob es schwierig sei den Fluss zu durchqueren, der eine Beamte der uns raus begleitete, um dem Schlagbaum zu heben, damit wir passieren konnten, meinte nur, dass es nicht tief sei, wir die Spuren der Autos und Flussabwärts durchfahren sollten.

Ok, dachte ich, und war schon bereit loszufahren. Ich meinte zu Gaby noch, dass ich vorfahre um von drüben Fotos zu schiessen. Dann bewegte ich mich zum Fluss, der wirklich nicht hoch und nur knappe sieben Metern breit war. So setzte ich gleich fort, ohne kurz durch den Bach zu waten, so wie man es im Kurs gelernt hatte. Das Wasser wäre ja eh eisig kalt, das kann man sich ja sparen und die Spuren der Autos sind ja ganz klar, dachte ich kurz vor dem einfahren ins Bachbett. Ich stand wie ich es im Kurs gelernt hatte fest auf meinen Fussrasten, die Knie an den Tank geklemmt und den Lenker mit viel Gefühl schön locker in den Händen gehalten. Als ich so in dem Bachbett fuhr fühlte es sich gut an, keine Probleme, das Wasser stand gerade so bis zu den Fersen. Das Flussbett schien perfekt, doch dann fing meine Vordergabel komische Schlingerbewegungen zu machen an. Ich wurde einwenig steif in den Armen, versuchte mich an das nahe Ufer zu balancieren und war nur noch einen Meter davon entfernt. Doch auf einmal riss es mir die Gabel aus der linken Hand, das Rad vorne stand rechts eingeschlagen im Bachbett an. Ich versuchte das Motorrad aufzufangen, doch es war vergeblich. Das Bike fiel mit mir obendrauf einen Meter vor der Ausfahrt hin. Dabei versuchte ich gleich mit dem Notstopp das Bike auszuschalten, um zu verhindern, dass das Moped nicht Wasser ansaugen konnte, weil sonst eine sehr grosse Reinigungsarbeit auf dem Programm gestanden hätte. Dies gelang mir im ersten Augenblick nicht, erst dann, als ich mit Wasser voll gelaufenen Handschuhen sowie flutschenden Crossstiefeln, die ja bekanntlich nicht wasserdicht sind, aus den kleinen Fluten aufgestanden war. Alles wird nass, schoss es mir sogleich durch den Kopf. Das Bike sofort aufstellen. Doch wer ist denn schon so stark und kann ein etwa 350kg schweres voll bepacktes Bike im Kiesbett eines seichten Flusses aufheben? Nein, ich konnte es auch nicht. So fing ich gleich an, den Tankrucksack runter zu reissen, die Koffer von der Halterung aufzuschliessen und wegzunehmen. Die grosse Gepäckrolle abgenommen. In der Zwischenzeit war auch Gaby am Ufer angekommen und sah meine Bescherung. Sie wollte rüber kommen, dass wollte ich wiederum nicht, weil sie sonst auch noch nasse Füsse bekommen hätte. Gaby weigerte sich meiner Anweisung zu folgen und watete durch den Fluss um mir zu helfen. Der Grenzbeamte vom Schlagbaum hatte mein Schauspiel auch mit bekommen und ist mit einem Quad herbeigeeilt. So richteten wir zu dritt mein Motorrad wieder auf. Dabei startete ich wieder den Motor ohne zu kontrollieren, ob Wasser angesogen wurde. Ich hatte Glück, nach dem zweiten Startversuch sprang sie ohne weiteres mucken an und ich konnte das Moped hinaus führen.

Draussen sah ich, dass ich den rechten Nebelscheinwerfer abgedrückt hatte. Billiger Plastik, scheiss BMW, die hätten auch was Stabileres nehmen können, dachte ich wutentbrannt.

Danach ging ich zu Gabys Bike hin, stieg auf und lies sie an um sie sitzend über zu setzten. Hoffentlich versenke ich nicht noch diese Karre, sagte ich leise vor mich hin. Diesmal passierte kein Malheur, die Füsse im Wasser und immer auf sicheren Halt bedacht brachte ich das Motorrad an das andere Ufer wo ich sie gleich abgestellt hatte, was sich als riesigen Fehler raus stellte. Denn als wir alles wieder bei meiner Maschine raufgepackt hatten, wollte Gaby mit ihrer losfahren, dabei grub sie ihr Hinterrad in dem sehr losen Kies ein. Mit Heck heben und raus fräsen ging nichts, das Hinterrad grub sich so tief ins Kiesbett ein, dass sie ohne Ständer voll bepackt da stand. Also noch ein Motorrad entladen, alles zehn Meter nach vorne auf eine feste Fläche tragen, zurück das Motorrad aus dieser Kiesgrube befreien, vorfahren, anhalten, alle Gepäckstücke wieder fest auf dem Bike verzurren und endlich ging’s weiter.

Mit klitschnassen Schuhen hielten wir nach einer Anhöhe bei der chilenischen Grenze an, um wieder den Papierkram zu machen. Beide hatten nicht gerade die beste Laune. Gaby entschuldigte sich bei den Grenzwächtern, dass wir alles hier schmutzig machen würden. Warum, wegen dem Rio, entgegnete ein Grenzer. Gaby bestättigte ohne gross auf mein Missgeschick einzugehen. Die Papierarbeit war an dieser Wache auch schnell erledigt und so zogen wir mit neuen Erfahrungen weiter Richtung Porvenier. Dort wussten wir müssen wir auf eine Fähre bis zum nächsten Tag warten.

Die Fahrt führte uns durch hügelige Waldstücke, Weideland und an der Meeresküste entlang Richtung Porvenier. Es war schon späht als wir durch das kleine Dörfchen fuhren. Es war wie ausgestorben, da meinte ich zu Gaby, dass wir zum Hafen fahren könnten und dort die Informationen für die morgige Überfahrt zu bekommen. Als wir beim Hafen ankamen, erkannte ich ein Fährschiff. Ob die für uns noch Platz hätten, fragte ich Gaby wieder. Sie entschlossen, wie immer, fragte den einen Matrosen der die Fahrzeuge am einweisen war. Jubelnd kam sie zu mir, und verkündete, dass es noch Platz für uns hätte. Als wir die Motorräder auf der Fähre hatten, wollten wir sie irgendwie fixieren, da eine drei stündige und ruppige Seefahrt vor uns stand. Die Matrosen meinten ich solle die Bikes an einem Pfosten befestigen und ob ich Leinen oder ähnliches Befestigungsmaterial hätte. Ja super, die hatten keine Ahnung von Physik, denn auf See sollte man Frachten an den Boden Binden und nicht irgendwo in der Höhe befestigen. Bei Gaby konnten wir an einer Planke am Boden eine Strippe, die wir zum Glück von der Seefracht behalten haben, befestigt und die andere an einem Geländewagen an dem Hinterrad. Meine Maschine musste ich an ein Geländer einer Treppe und einem weit entfernten Stahlstrebe mit grober Kante verzurren. Dies passte mir gar nicht, weil sich das Motorrad immer noch fest bewegte. Ich rechnete damit, dass sie heute das zweite Mal hinfallen würde.

Beim einsteigen bemerkten wir ein Paar, dass mit einem Tandem auf Schiff gekommen war. Auf dem Gästedeck schauten sie wie auch wir immer aus den Fenstern als eine Welle vom Bug her auf das Schiff donnerte. Weil sie auch den Befestigungskünsten der Besatzung nicht trauten. Im Gespräch fanden wir heraus, dass sie aus dem Vorarlberg stammen und schon über 2 ½ Jahre mit dem Tandem in der Welt herum fahren würden. Wir wussten, dass wir späht nach Mitternacht in Punta Arenas ankommen würden, aber beide keine Bleibe kannten. Das Paar hatte eine Adresse von einem Hostel wo man im Garten zelten könnte, sie aber keine Ahnung hätten wo es wäre. Wir hatten eine Karte und konnten den Ort des Hostels bestimmen. Ob wir uns ihnen anschliessen dürften, fragte Gaby. Natürlich, meinten sie.

Nach zwölf Uhr kamen wir im Hafen von Punta Arenas an. Beide Motorräder standen noch, was für ein Glück. Gaby und ich fuhren voraus und schauten ob es noch für uns vier Platz hätte. Die Fahrt dauerte für uns eine ¼ Stunde. Dort angekommen fragte Gaby nach und siehe da, es war jemand wach und es hatte noch Platz für zwei Zelte. Ich wollte schon Anita und Stefan entgegen fahren, so heissen die zwei Tandemfahrer, als sie auch schon um die Ecke bogen. Völlig ausgelaugt stellten wir die Zelte auf, richteten das Zelt gerade für das Schlafen ein, gingen noch schnell auf die Toilette und ab in die Federn. Nach einem langen harten Arbeitstag.

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