Von Sámara nach Playa Grande
Wieder frühstücken Guido und ich gemütlich am Strand unsere Früchte und packen dann unsere Motorräder, um zum nur etwa 100 Km entfernten Ort Playa Grande weiter zu fahren. Die Sonne brennt bereits vor 8:00 Uhr am Morgen heiss vom Himmel runter. Wir fahren den gleichen Weg, den wir schon bei der Anreise gefahren sind, ein Stück zurück. Bei der nächsten grösseren Stadt biegen wir links ab auf der Hauptstrasse der Halbinsel in Richtung Santa Cruz und von daher wieder westwärts in Richtung Meer. Die Strassen sind in recht gutem Zustand, natürlich müssen wir immer auf die grossen Löcher achten, die hier aus heiterem Himmel auftauchen können. Aber das sind wir mittlerweile gewohnt. Abrupt nach einer Brücke endet der geteerte Belag und wir fahren auf einer Schotterstrasse, die mit tiefen Auswaschungen gespickt ist weiter.
Überraschung auf der Strasse
Über Funk teile ich Guido mit, dass wir sein Gepäck neu verzurren müssen, denn es hat sich bei dem Gerüttel etwas gelöst, gleichzeitig fährt ein Motorrad neben mir auf gleicher Höhe her.
Als ich rüber gucke, staune ich nicht schlecht, es ist Stefan! Bei Guido vorne halten wir beide an.
Stefan und Sabi sind gerade in einem Restaurant an der Strasse am Frühstücken gewesen, als wir beide vorbei gefahren sind. Stefan schwang sich gleich aufs Motorrad um uns zu begrüssen. Guido und ich haben die beiden nicht gesehen, wir waren zu sehr mit den Löchern in der Strasse beschäftigt.
Beim Plaudern erfahren wir, dass sie heute nach Nicaragua rüber fahren wollen, das Ziel heisst San Juan del Sur. Wir Plaudern noch ein wenig und verabschieden uns dann wieder.
Guido hat mittlerweile sein Gepäck wieder festgezurrt und so fahren wir weiter auf der staubigen Rüttelstrasse. Plötzlich und für uns sehr unerwartet haben wir wieder Teer unter den Rädern. Gemäss unserem Katenmaterial ist es genau umgekehrt eingetragen, ab jetzt sollte nur noch Schotter vor uns liegen. Aber über die Präzision der Karte haben wir ja uns gerade lustig gemacht. Natürlich sind wir nicht böse darüber, sondern geniessen die ruhige Fahrt auf dem ebenen Teer.
Bald schon erreichen wir Playa Grande und finden schnell ein Plätzchen zum übernachten. Kike’s Place ist eine schöne Anlage mit Swimmingpool und wir können die Motos unmittelbar vor unserem Bungalow parken.
Die Lederrücken Schildkröten
Während ich nach dem Zimmer gefragt habe, hat Guido Bekanntschaft mit einigen Biologen gemacht, die hier mit den Schildkröten arbeiten. Sie erzählen ihm, dass gestern Nacht acht Lederrücken Schildkröten ans Ufer gekommen sind, um hier ihre Eier abzulegen. Das ist ja prima, genau deswegen sind wir hierher gefahren!
Wir gehen zu Fuss zum Informationscenter um uns einzuschreiben, damit wir für das Spektakel am Abend angemeldet sind.
Das Ganze läuft so ab, man schreibt sich während des Tages ein, ist am Abend um halb acht wieder im Center und wartet dann bis die Ranger, die am Strand patrouillieren, eine Schildkröte entdecken. Dann muss man eine Gebühr von 16 US$ pro Person bezahlen und wird zu der Schildkröte geführt.
Alles klar, jetzt wissen wir Bescheid und gehen zurück ins Dörfchen um uns einwenig umzuschauen und etwas zu essen.
Pünktlich um 7:30 Uhr finden wir uns im Infocenter ein und können einen Videofilm über die Schildkröten anschauen. Danach sitzen wir, zusammen mit vielen anderen Schaulustigen, vor dem Center herum und warten und warten.
Nach fast drei Stunden geht’s endlich los, es ist scheinbar eine Schildkröte an Land gekommen und die dürfen wir jetzt besuchen.
Nachdem wir bezahlt haben steigen wir in einen Bus ein, der uns etwa 15 Minuten strandabwärts fährt. Bei einem Wegende angekommen gehen wir in einer kleinen Gruppe von acht Leuten, zusammen mit einem Guide zum Strand. Wir dürfen nicht fotografieren, nicht Filmen und keine Taschenlampen benutzen, was leider schade ist, aber respektiert wird. Wir gehen dem Guide im Dunkeln hinterher und müssen gut aufpassen, dass wir nicht hinfallen bei dem unebenen Boden, da diese Nacht kein Mond zu sehen ist.
Alles geht gut und der Guide führt uns nach kurzem Fussmarsch zu einer riesengrossen Schildkröte, die gerade dabei ist, ihr Nest in den Sand zu graben.
Der Guide ist darauf bedacht, dass er das Tier, mit seiner rot leuchtenden Taschenlampe, nur von hinten anleuchtet, damit es auf keinen Fall gestört wird. Wir können aus diesem Grund das gesamte Ausmass des Tieres nur erahnen. Sie misst bestimmt 1,5m in ihrer gesamten Länge und sicher fast einen Meter an der breitesten Stelle. Wow, das ist ja vielleicht ein Erlebnis, wir haben sie uns nicht so gross vorgestellt, so genial!!
Von ganz nahe dürfen wir beobachten wie die Schildkröte, extrem vorsichtig mit ihren Hinterflossen abwechslungsweise den Sand aus dem Loch schaufelt. Sie achtet sehr darauf, dass sie beim eintauchen ihrer Flossen nicht wieder Sand ins Loch schiebt, verblüffend diese Präzision, und das alles ohne, dass sie das Loch sehen kann. Immer wieder hört man die schweren Atemgeräusche des Tieres. Plötzlich müssen wir uns zurückziehen, denn das Nest ist kollabiert, das sagt uns unser Guide. Und was jetzt? Wir müssen am Strand warten, denn das Tier sucht sich nun einen neuen Platz, um seinen Nestbau wieder von vorne zu beginnen und dazu braucht sie ihre Ruhe und platz.
Scheinbar passiert das öfters, dass ein Nest zusammenfällt, da in dieser Jahreszeit der Sand in den tieferen Regionen sehr trocken ist.
Im totalen Dunkel können wir trotzdem ansatzweise sehen wie Sand durch die Luft spritzt. Das kommt daher, dass die Schildkröte den neuen Platz zuerst säubert und ausebnet und erst danach mit graben beginnt. Schon bald ist sie wieder geduldig am Graben und wir dürfen wieder zu ihr hin um zu zuschauen.
Jetzt ist das Loch schon ca. 70 cm tief und sie beginnt ihre Eier abzulegen. Es ist faszinierend, diese Pingpong-Bälle grossen weissen Eiern in dem Sandloch zu sehen. „Sie legte genau 62 Eier ab“, dass sagt uns der Biologe der genau mitgezählt hat: Währenddessen hat seine Kollegin die Schildkröte genau vermessen. Die kleineren Eier, welche unbefruchtet sind, werden nicht mitgezählt.
Nun schaufelt die Schildkröte das Nest wieder zu und zwar ganz sorgfältig, aber trotzdem drückt die den Sand immer wieder richtig fest an. Für uns ist dieses wunderbare Schauspiel damit zu Ende, wir müssen zurück. Das Tier wird nun sein Nest weiter zuschaufeln und am Schluss eine art Gamouflage machen, damit es nicht auffällt. Nach getaner Arbeit kriecht die Schildkröte zurück ins Meer und überlässt die Eier ihrem Schicksal. Etwa 6 Wochen später werden nur gerade mal 50% dieser Eier bereit zum ausschlüpfen sein. Danach suchen die winzigen Schildkrötchen ihren Weg ins Meer.
Wir kehren zufrieden zu unserem Hotel zurück und sind ganz verzückt, dass wir ein solches Naturschauspiel haben miterleben dürfen.
Am nächsten Morgen, nach einem feinen Frühstück, machen wir uns auf den Weg nach Nicaragua.